Raum & Stille

Praxis für Meditation und Massage

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07.01.2021

Unser Leib als Tempel des Heiligen Geistes

Beginnen wir mit einer Übung: Wenn Sie sich einmal bewusst im Spiegel
betrachten, sind Sie dann zufrieden mit Ihrem Körper? Können Sie zu sich sagen:
„Ich sehe gut aus. Ich bin gut, so wie ich bin.“ Oder stören Sie sich an Ihren zu
breiten Oberschenkeln, der zu groß geratenen Nase oder am eher schütteren
Haarwuchs?
Viele Menschen haben ein Idealbild ihres Aussehens im Kopf, dem sie unbedingt
entsprechen wollen. Um dieses zu erreichen, scheuen sie oft weder Kosten noch Aufwand. Hollywood-Stars machen es vor und TV-Events wie Germans Next Top Model beflügeln den Schönheitswahn – erst recht bei jungen Mädchen, die von einer Karriere auf dem Laufsteg träumen. Vertreter der ästhetischen und
plastischen Chirurgie sind gefragte Menschen, um dem eigens gesetzten Ziel
nahe zu kommen.
Laufen wir eigentlich Gefahr, das normale und einzigartige Aussehen, das jedem
Menschen mitgegeben ist, zu pathologisieren, also einem krankhaften Zustand
zuzuordnen? Definieren wir einen körperlichen „Makel“ zu einem medizinischen
Problem, an dessen vermeintlicher Lösung ein Arzt sich dann manch goldene
Nase verdienen kann?
Schauen wir in die Bibel, finden sich wohltuend andere Aussagen. Etwa die des
Apostels Paulus im 1. Korintherbrief: „Wisst ihr nicht, dass euer Leib ein Tempel
des Heiliges Geistes ist?“ Wenn wir uns diesen Satz wirklich bewusst machen, ihn sozusagen auf der Zunge zergehen lassen, dann kann er nur bedeuten:
Unser Leib, unser Körper ist wunderschön, er ist gut wie er ist, und er ist sogar
Wohnraum Gottes – ein heiliger Ort! Unser Körper ist ein Raum, der vom ruach,
Gottes Atem, Gottes Geist durchdrungen ist, wie es uns der hebräische Urtext der Schöpfungsgeschichte erzählt. Und das gilt für jeden Körper, für den kranken, den gesunden, den verletzten, behinderten, dicken oder dünnen.
Wenn wir dieses Bild ernst nehmen, muss es Konsequenzen haben für unser
Leben. Wenn unser Körper ein Ort ist, mit dem und in dem wir mit Gott in
unmittelbarem Kontakt sind, zieht das Fragen nach sich: Wie gehe ich mit mir und meinem Körper um? Wie achtsam begegne ich mir und anderen, wenn ich meine einzigartige Heiligkeit annehme? Welche Folgen hat das für mein Leben als Ganzes, für meine Spiritualität, meine Sexualität und meine Selbstliebe? Und wie fühlt es sich an, leibhaftig zu beten? Oder, noch anders gefragt: Wenn unser Leib Wohnraum des Heiligen Geistes ist, müsste dann nicht jeden Tag auch unsere Haltung, unser Verhalten ein einziges Gebet sein?
In vielen religiösen Traditionen wird Gott oder werden Gottheiten mit dem Körper
verehrt. Sehr bekannt ist das Yoga, das uralten Schriften des Hinduismus
entstammt. Aus dem Alten Testament kennen wir den um die Bundeslade
tanzenden König David. Und dass mit einem tiefen Körperbewusstsein
verschiedene menschliche Dimensionen ineinander greifen, hat auch Teresa von
Ávila einfühlsam ausgedrückt: „Tu deinem Leib etwas Gutes, damit deine Seele
Lust hat, darin zu wohnen.“
Dem eigenen Leib etwas Gutes zu tun, das hat mit gesunder Ernährung und
Pflege zu tun, mit körperlicher Bewegung, und es schließt sinnlich-lustvolle
Erfahrungen ein, um unseren Tempel immer wieder neu zu beleben. So stärken
wir auch unsere Seele und unseren Geist. Und wir dürfen uns immer wieder daran erinnern, dass Gott selbst uns mit liebevollen Augen anschaut, wie wir es etwa in Versen des Psalms 139 lesen:
Herr, du hast mich erforscht und du kennst mich... Ob ich sitze oder stehe, du
weißt von mir...Von fern erkennst du meine Gedanken... Ob ich gehe oder ruhe,
es ist dir bekannt...du bist vertraut mit all meinen Wegen...du hast mein Inneres
geschaffen, mich gewoben im Schoß meiner Mutter... Ich danke dir, dass du mich
so wunderbar gestaltet hast...deine Augen sahen, wie ich entstand...
Schöner könnte nicht beschrieben werden, dass vor Gott niemand hässlich ist
oder mit einem körperlichen Makel behaftet. Es braucht wohl Übung, Zeit und
Selbstliebe, diese Aussagen in ihrer ganzen Dimension zu begreifen und zu
erspüren. Aber der Weg lohnt sich, weil er uns näher zu Gott und damit zu uns
selbst bringt.



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