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11.01.2021

Begegnung mit uns selbst

Der Gedanke an Meditation weckt in uns gewöhnlich Bilder von still am Boden sitzenden, in sich zurückgezogenen Menschen. Diese Haltung ist vor allem aus dem Zen-Buddhismus bekannt, bei dem es um die Übung der vollkommenen Achtsamkeit im Augenblick, im „Hier und Jetzt“ geht. Immer zielt Meditation auf eine spirituelle Erfahrung hin, auf einen Zustand innerer Klarheit und Gelassenheit. Und immer mehr Menschen spüren heute angesichts unserer schnelllebigen und reizüberfluteten Welt die Sehnsucht nach solchen Erfahrungen.

Auch Jesus hatte immer wieder das Bedürfnis nach Rückzug und Stille. Davon erzählt das Neue Testament an vielen Stellen. Schon bevor er sein öffentliches Wirken beginnt, zieht er sich zurück in die Einsamkeit der Wüste, erzählt uns der Evangelist Markus. Er fährt mit dem Boot in eine einsame Gegend, um allein zu sein, heißt es beispielsweise im Matthäus-Evangelium vor der Speisung der Fünftausend. Und einige Kapitel später, nach der Tempelreinigung, lässt Jesus alle Leute eben mal stehen, geht aus der lauten Stadt hinaus und zieht sich zurück in die Ruhe Betaniens. Wir dürfen davon ausgehen, dass es auch Jesus mal „gereicht“ hat, dass er diese Zeiten für sich gebraucht hat, um nachzudenken, all die Begegnungen mit den vielen Menschen zu verarbeiten, Widerstände und Enttäuschungen abzubauen und immer wieder neue Kraft zu schöpfen für seinen Auftrag.

Doch wer meditiert, nach-sinnt über sein Leben, seinen Auftrag, der braucht auch den Mut und die Bereitschaft, sich konfrontieren zu lassen mit sich selbst. Denn kaum haben wir uns in Ruhe hingesetzt, der Stille aus-gesetzt, meldet sich unser lärmender Verstand, spüren wir jede Verspannung in unserem Körper, alle unterdrückten Energien und Emotionen. Diese wollen aber gerade nicht unterdrückt, sondern wahrgenommen und angeschaut werden.

Schon einfach nur eine Weile sich bewusst auf den Atem zu konzentrieren, ihn wie eine sanfte Welle, die ans Ufer spült, im Unterbauch fließen zu lassen, ist für viele Menschen eine ungewohnte Übung. Dabei ist doch der Atem in allen christlichen und fernöstlichen Meditationen das wichtigste Medium, um mit unserem Innersten in Berührung zu kommen: mit dem heiligen Ort in uns, an dem wir Gott ganz nahe sind.
Unser Atem spiegelt uns unmissverständlich, wie wir „drauf“ sind, in welcher Gefühlslage wir uns befinden: aufgewühlt, belastet, verärgert oder ruhig, gelassen, entspannt. Angesichts unerwarteter Ereignisse oder in der Erfahrung eines Schocks stockt uns sofort der Atem. Unser Atem ist auch Spiegelbild für die spirituelle Übung, dass es im Leben nichts festzuhalten gibt. So wie unser Atem fließen möchte, ist auch unser ganzes Leben in Fluss und entspringt jeden Tag neu. Schöne und schmerzliche Erfahrungen kommen und gehen und wir können durch sie hindurch atmen und lernen, in unserer eigenen Mitte ruhen.
Eine Möglichkeit, mit dem Atem bewusst in Kontakt zu kommen, bietet die Zeit vor dem Einschlafen. Natürlich nur, wenn wir nicht todmüde ins Bett fallen und uns auf die Lieblingsseite drehen, um augenblicklich in den Schlaf zu flüchten. Vor dem Einschlafen können wir uns auf den Rücken legen, die Hände entspannt auf dem Bauch ablegen und einige Minuten lang den Atem ohne Anstrengung spüren – und damit fühlen, was in unserem Körper vor sich geht. Die intensive Konzentration auf den Atem hilft, den Tag mit allem, was er an Begegnungen und Erlebnissen gebracht hat, abzuschließen und loszulassen. Angelehnt an tiefe Atemzüge können wir Gott Danke sagen für den Weg, den er mit uns an diesem Tag gegangen ist. Und wir können um Frieden und Geduld bitten mit den Menschen, mit denen wir in Unfrieden und Ungeduld waren oder sind. Angelehnt an den Atem, dem Geist Gottes in uns, können wir unseren Schlaf von ihm segnen lassen.
Ganz ähnlich können wir es am Morgen machen. Was hindert uns daran, den Wecker vielleicht zehn Minuten früher zu stellen, statt in den Tag hineinzuspringen. Mit einem bewussten Atem können wir uns einige Minuten Zeit nehmen für den Gedanken, dass ein neuer Schöpfungstag vor uns liegt mit ungeahnten Möglichkeiten. Wir können uns für den Schlaf in der Nacht bedanken und uns mit einigen Atemzügen für Liebe und Achtsamkeit entscheiden gegenüber allem, was der Tag für uns bereithält.
Stille Momente und Zeiten sind lebens-wichtig. Jesus wusste darum und hat sie für sich gelebt.



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